Überspannungsschutz


Prof. Jürgen Plate

Überspannungsschutz

Bei Gewittern, in Kraftfahrzeugen, aber auch an anderer Stelle können kurzzeitig hohe Spannungen auftreten. An der Starterbatterie eines Autos treten regelmäßig (durch Verbraucher oder die Lichtmaschine) Spannungsschwankungen zwischen ca. 8 und 14,4 Volt auf. Hinzu kommen aber sehr kurze Transienten, die weitaus größer sein können. Zum Beispiel durch das Schalten eines Relais oder die Zündung. Wo auch immer das Problem von Überspannungen und Transienten auftritt, sind die Gegenmassnahmen dieselben, und zwar die Begrenzung der Überspannungen.

Soll eine Schaltung in einer Umgebung verwendet werden, in der mit Überspannugnen zu rechnen ist, sollte schon bei der Entwicklung darauf geachtet werden, daß die Elektronik gegenüber derartigen Störungen geschützt wird. Die nachfolgend gezeigten Schutzschaltungen sollten deshalb gleich in das zu entwickelnde Gerät integriert werden.

Ausgerechnet jene Zubehörteile, die ihre Spannung aus dem Kfz-Bordnetz beziehen (in der Regel über den Zigarettenanzünder bzw. die Bordspannungssteckdose), weisen selten einen geeigneten Schutz vor Überspannungen auf. Dies sind beispielsweise Ladeadapter für Mobiltelefone, Audiowiedergabegeräte, USB-Adapter oder Navigationsgeräte. Aber auch die Sensoren von Wetterstationen, die im Aussenbereich Störungen auch dann auffangen, wenn der Blitz in der Nähe einschlägt. Ebenso sind häusliche Netze nicht immun gegen Störungen, die über die Stromversorgung eindringen. Im Haus gibt es Geräte mit Motoren, Relais, etc., die ebenfalls Transienten hoher Spannung erzeugen können.

Fahrzeugelektronik wie Steuergeräte, Sensorik oder Unterhaltungselektronik werden über das Bordnetz mit Spannung versorgt. Insgesamt ist die Bordnetzspannung recht instabil und von Temperatur, Akkuzustand und aktuellem Lastzustand abhängig. Hinzu kommen Spannungsspitzen durch elektrostatische Entladungen (ESD) oder Schaltvorgängen an kapazitiven oder induktiven Lasten (Lichtmaschine, Anlasser, Fensterheber, Türverriegelung etc.). Einer der wohl kritischsten Momente für die Fahrzeugelektronik ist eine plötzliche Trennung des Akkus vom Bordnetz während der Motor läuft und die Lichtmaschine weiter Energie liefert. Dieser plötzliche Lastabfall wird als Load-Dump bezeichnet. Die meisten Fahrzeughersteller und Industrieverbände spezifizieren Spannung, Netzimpedanz und Zeitdauer eines solchen Lastabfalls wie im folgenden Bild dargestellt.

Gasableiter

Ein Gasableiter ist eine Gasentladungsröhre, die als Überspannungsableiter dem Schutz vor Überspannungsimpulsen dient, wie sie beispielsweise bei Blitzeinschlägen in der Nähe von Versorgungsnetzen (Telefonnetz, Stromnetz, Kabel-TV etc.) in diesem Netzen auftreten können. Häufig wird für Gasableiter die englische Bezeichnung "gas discharge tube" oder deren Abkürzung GDT verwendet.

Unterhalb der Zündspannung verhält sich der parallel zur zu schützenden Leitung angeschlossene Gasableiter wie ein Isolator. Ab einer typspezifischen Zündspannung zündet im Gasableiter eine Gasentladung und seine Klemmenspannung reduziert sich durch eine Bogenentladung innerhalb weniger Mikrosekunden auf ca. 10 bis 20 V. Es handelt sich beim Gasableiter prinzipiell um eine speziell konstruierte Glimmlampe bzw. eine gekapselte Funkenstrecke ohne Vorwiderstand. Anders als bei anderen Überspannungsableitern (Suppressordioden, Varistoren, siehe unten) sinkt die Klemmenspannung gegebenenfalls weit unter die Nennspannung ab, was beim häuslichen Stromnetz einem Kurzschluss gleichkommt. Ein solcher Überspannungsableiter kann mit einem kapazitätsarmen Schalter verglichen werden dessen Widerstand von mehr als 10 GΩ auf Werte von weniger als 0,1 Ω springen kann. Aus diesem Grund muss neben dem Gasableiter auch immer eine Sicherung vorhanden sein. Gasableiter reagieren langsamer als Varistoren oder Suppressordioden, können jedoch hohe Impulsenergien ableiten. Sie werden oft in Kombination mit Varistoren oder Suppressordioden eingesetzt. Gasableiter werden daher als sogenannte Grobschutzelemente bezeichnet. Es gibt Ausführungen von 90 bis 4500 V Zündspannung. Sie zeichnen sich weiterhin durch hohe Ableitenergien und Spitzenströme (2 bis 20 kA), niedrigen Preis und sehr lange Lebensdauer bei richtiger Dimensionierung aus.

Herrscht zwischen den beiden Elektroden eine Spannung, die größer als die Zündspannung UZ1 ist, zündet der Überspannungsableiter. Nach dem Zünden fällt die Spannung zwischen den Elektroden nach dem Ansteigen des Stroms auf die Bogenbrennspannung UZ2 ab. Nach dem Abklingen der zugeführeten Überspannung kann der Überspannungsableiter den Lichtbogen für kurze Zeit aufrecht halten. Es kommt zum Netzfolgestrom. Wenn die Nennspannung unterhalb der Bogenbrennspannung liegt, löscht der Überspannungsableiter den Lichtbogen. Das folgende Bild zeigt die Kennlinie:

Die folgende Schaltung zeigt eine typische Anwendung als sogenannter Netzfilter. Der Gasableiter dient als Schutz bei hohen Spannungen (Blitz-Transienten etc.). Er wird flankiert von zwei Varistoren. Die "normale" Glimmlampe La1 und R1 dienen nur der Betriebsanzeige und können auch weggelassen werden.Die Schaltung ist symmetrisch ausgelegt und fängt alle Transienten gegenüber dem Schutzleiter ab.

Da die Überspannungsschutzeinrichtung einen (partiellen) Kurzschluß verursacht, muss vor den Schutzelementen (Gasableiter, Varistor) eine passende Schmelzsicherung eingebaut wird, die im Falle einer anhaltenden Überspannung und dem damit verbundenem Stromfluss geopfert wird.

Varistor

Der Varistor (VDR) ist ein Widerstand der sein Wert spannungsabhängig ändert. Das Wort "Varistor" ist eine Verkürzung von "variable resistor", die Abkürzung "VDR" bedeutet "Voltage Dependent Resistor". Der Widerstand des Varistors ist unterhalb der Nennspannung recht hoch und wird bei Erreichen der Nennspannung plötzlich kleiner. Die zwei bekanntesten Werkstoffe für Varistoren sind Zinkoxid und Silizium-Karbid. Die Kennlinien sind entsprechend unterschiedlich. Der Varistor wird meist als Scheibenvaristor eingesetzt. Alternativen sind die SMD-Variante oder für Schaltschränke eine Version mit Schraubkontakten.

Das wichtigste Einsatzgebiet ist der Überspannungsschutz empfindlicher elektronischer Schaltungen. Der Zinkoxid-Varistor setzt sich aus vielen kleinen Zinkoxidkörnern mit unterschiedlicher Leitfähigkeit zusammen. Zwischen den Zinkoxidkörnern entstehen an den Berührungspunkten Sperrschichten. Das durch eine angelegte Spannung erzeugte elektrisches Feld baut die Sperrschichten teilweise ab. Je höher die angelegte Spannung ist, desto mehr Sperrschichten werden abgebaut und damit sinkt der Widerstand des Varistors. Über die Dicke der Varistorscheiben kann die Schwellenspannung variiert werden: Je dicker die Varistorscheibe ist, desto mehr Zinkoxidkörner sind in Reihe geschaltet und desto höher ist die Schwellenspannung. Das folgende Bild zeigt einen Varistor (ca 15 mm Durchmesser) und die Kennlinien der beiden Typen (Nennspannung ca. 300 V).

Ein Nachteil bei der Verwendung als Überspannungsschutz sind das mittlere Absorbtionsvermögen, die Alterung und die relativ hohe Eigenkapazität. Sehr häufige oder sehr energiereiche Ableitungen bis hin zum Granzableitstrom lassen die beschriebenen Diodenkörner durchlegieren. Auch spielt die Steilheit der abzuleitenden Impulse bei dieser Alterung eine Rolle, weil dann der Varistor im Bereich seiner Nennspannung nicht mehr ausreichend sperrt (Leckströme). Die Folge ist eine starke Erwärung aufgrund des Stroms durch das Bauelement. Varistoren müssen ggf. auf ihre Temperaturentwicklung hin überwacht werden. Dies kann durch eine Thermosicherung erfolgen, die mit dem Varistor gekoppelt ist.

Eine typische Varistor-Schutzbeschaltung sitzt zwischen dem 230-V-Netzanschluss und dem Netztrafo der Schaltung (oder vor dem Schaltregler). Die Glimmlampe dient auch hier nur der Betriebsanzeige.

WennVaristoren zwischen Leitung und Erdung geschaltet werden, muss man berücksichtigen, dass eine Schmelzsicherung möglicherweise nicht durchbrennt, wenn der Erdungswiderstand zu hoch ist, und so den Strom begrenzt. Eine mögliche Lösung ist eine Temperatur-Sicherungen in Reihe mit dem Varistor.

Burst-Impulse sind niederenergetische Transienten mit steilen Flanken und hoher Wiederholrate. So ist das Design (Line-Filter, Erdungskonzept, Gehäuse etc.) genauso kritisch wie die Wahl des Varistors. Aufgrund der Steilheit der Pulsflanken, müssen die Varistoren so verschaltet werden, dass die parasitären Induktivitäten gering bleiben. Das folgende Bild zeigt typische Varistor-Anwendungen:

Suppressordiode

Die Suppressordiode (auch TVS-Diode Transient Voltage Suppressor) genannt) ist das Bauelement für den Überspannungsschutz mit dem schnellsten Ansprechverhalten und der knappsten Spannungsbegrenzung. Sie arbeitet in Schutzschaltungen bidirektional im Rückwärtsbetrieb. Die Durchlasskennlinie spielt hierbei keine Rolle und ist deshalb im folgenden Bild nicht dargestellt. Die Kennlinie wird im dritten Quadranten in den Sperrbereich, Knickbereich und den Durchbruchbereich eingeteilt:

Wie Sie sehen, gleicht die Kennlinie der einer Zenerdiode, nur dass die Suppressordiode bidirektional ist. Die Arbeitsweise zeigt schematisch das folgende Bild. Die Funktion der Surpressordiode im Sperrbereich beruht darauf, dass die Valenzelektronen im Siliziumkristall aufgrund großer elektrischer Feldstärken von den Atomkernen gelöst werden. Diese freien Elektronen, die bei der Durchbruchspannung entstehen, ermöglichen einen schnell ansteigenden Strom in Sperrrichtung. Wie die Kennlinie zeigt, kann dieser Strom relativ weit ansteigen, ohne dass sich die Spannung wesentlich erhöht. TVS-Dioden gibt es als SMD, bedrahtete Bauteile, als Arrays oder auch als Bauteil mit Schraubgewinde. Typische Parameter sind: Spitzenleistung von 200 bis 30.000 W, Unterbindungszeit bis 20 µs (TVSD), bzw. bis 1000 µs (Power-TVSD). Der Leckstrom (einige Mikroampere) ist der Strom bei Nenn-Einsatzspannung, er sollte möglichst klein sein.

Suppressor-Dioden werden vor allem zum Schutz von empfindlichen Bauteilen und Signaleingängen vor einmaligen, zeitlich begrenzten Überspannungen (Transienten), wie ESD-Ereignissen, Störungen durch Schaltvorgänge oder Gewitter eingesetzt. Gelegentlich werden mit ihnen auch Induktionsüberspannungen, z. B. von Relaisspulen, gegen Masse abgeleitet. Die Dioden verursachen, solange sie nicht thermisch zerstört werden keinen Spannungseinbruch der zu schützenden Spannung und sind daher nach dem Ansprechen auch ohne Stromunterbrechung weiter einsatzbereit.

Der Übergang vom Sperrbereich in den Durchbruchbereich erfolgt nicht schlagartig, jedoch sehr schnell in einigen 100ps. Ebenso vorteilhaft wie die kurze Ansprechzeit ist die Spannungsbegrenzung, die etwa dem 1,8-fachen der Nennspannung entspricht.

Nachteilig bei der Suppressordiode sind die geringe Strombelastbarkeit und die relativ hohe Eigenkapazität. Wegen der geringen Strombelastbarkeit wird dieses Bauelement vorrangig zum Schutz von Datenleitungen und im KFZ-Bereich genutzt. Die hohe Eigenkapazität wird dadurch eingedämmt, dass sie in eine Gleichrichterschaltung integriert wird. So kann sich der Ersatzkondensator in der Suppressordiode normal aufladen. Seine Entladung wird jedoch durch die Diodenschaltung gesperrt. Auf Datenleitungen treten in der Regel wesentlich geringe Ströme auf. Die Suppressordiode hat eine relativ hohe Eigenkapazität, die durch eine Gleichrichterschaltung minimiert wird. Dafür ist die Suppressordiode extrem schnell und kann den Verbraucher in wenigen Nanosekunden mit einem Kurzschluß vor der Überspannung schützen. Aber auch noch im gezündeten Zustand besitzt die Diode einen Rest-Widerstand. Sollte die Spannung trotzdem weiter steigen kann ein Gasableiter zusätzlich eingebaut werden.

Auf für die Entstörung von büstenbehafteten Gleichtrommotoren - also solche mit Kommutator - eignet sich die Suppressordiode, um die Störspannung zu kappen. Den Rest erledigen die Kondensatoren.

Sekundärschutz

Die Hauptaufgabe der Suppressor-Dioden am Bordnetz ist die Begrenzung oder Unterdrückung hoher Spannungsspitzen. Dieser Grobschutz in einer ersten Schutzstufe erzeugt aber oft noch zu hohe Restspannungsspitzen, die für manche Verbraucher am Bordnetz immer noch zu hoch sind. Die meisten Geräte im Fahrzeugbereich sind für Spannungen von maximal 45 ... 60 V ausgelegt. Besonders an 24-V-Bordnetzen von LKWs ist ggf. noch eine zweite Schutzstufe zur weiteren Begrenzung der Überspannung erforderlich.

Ein Serienwiederstand R in der Versorgungsleitung dient als Strombegrenzung für die nachgeschaltete, zweite und kleinere Schutzdiode. Die Größe des Widerstands ergibt sich aus dem maximalen Strombedarf der angeschlossenen Elektronik, deren Mindestversorgungsspannung und der minimal verfügbaren Batteriespannung bei der die Elektronik noch funktionieren soll.

Vergleich der Bauelemente für den Überspannungsschutz

  Varistor Gasableiter Suppressordiode
Vorteile kurze Ansprechzeit geringe Eigenkapazität,
hohe Strombelastbarkeit
kurze Ansprechzeit
Nachteile hohe Eingenkapazität träges Ansprechverhalten hohe Eigenkapazität,
geringe Strombelastbarkeit
Durchbruchspannung 18 V - 1500 V 65 V - 10 kV 6,8 V - 200 V
Stroßstrombelastbarkeit bis 4 kA über 5 kA bis 150 A
Löschverhalten ausgezeichnet,
kein Folgestrom
spezielle Vorkehrungen
in der Schaltung nötig
ausgezeichnet,
kein Folgestrom
Widerstand
(nicht leitend)
größer 10 MΩ größer 10 MΩ groß
Widerstand
(leitend)
größer 0,2 Ω kleiner 1 Ω klein
Dauerbelastung 50 - 800 mW nur für kurze
Impulse
1 W
Ansprechgeschwindigkeit kleiner 50 ns kleiner 500 ns etwa 1 ps

Crowbar

Als Crowbar (deutsch: Brecheinsen, Brechstange) bezeichnet man eine Brachialmethode der Spannungsbegrenzung. Hier geht es darum, ein Gerät vor dauerhaften Überspannungen zu schützen. Für sehr kurzzeitige Hochspannungstransienten eignet sich diese Methode nicht, dafür sind die oben erwähnten Verfahren geeignet. Im Falle des Defekts eines Netzteils, der eine dauerhafte Überspannung zur Folge hätte, wird die Betriebsspannung mit einem Thyristor sofort kurzgeschlossen, was die Schmelzsicherung durchbrennen lässt. Daher die Bezeichnung Crowbar (Brechstange).

Die folgende Schaltung zeigt einen Thyristor-Crowbar. Am Eingang liegt eine konstante Spannung von +12 V an. Sollte das Netzeil eine zu hohe Spannung liefern, könnte die am Ausgang angeschlossene Schaltung zerstört werden. Dies verhindert die Schaltung. Der Thyristor zündet bei zu hoher Spannung und schliesst die gesamte Schaltung kurz, wodurch die Schmelzsicherung durchbrennt. Genauer gesagt, wenn die Spannung zwischen der Eingangsspannung und GND soweit ansteigt, dass die Z-Diode leitet, wird über R2 der Thyristor gezündet und Der Eingang wird kurzgeschlossen. Die Ausgangsspannung reduziert sich zunächst auf die Durchflussspannung des Thyristors (ca. 1 ... 1,6 V) und das nachfolgende Auslösen der Schmelzsicherung F schaltet die Versorgung ganz ab. R2 bildet mit C ein passives Tiefpassfilter zur Unterdrückung von Störimpulsen, die den Thyristor eventuell zünden würden. Die Störimpulse können mit einen Varistor oder einer Suppressordiode gefiltert werden. Wenn der Thyristor zündet, schliesst er möglicherweise den Ladeelko des Netzteils kurz. Er muss diesem hohen, sehr kurzzeitigen Strom standhalten können.

Eine genauere und einstellbare Schaltung zeigt das folgende Bild. Das Netzwerk aus R1, R2 und P1 ermöglicht den präzisen Abgleich bei welcher Betriebs-Überspannung der Thyristor zünden soll. Man stellt P1 so ein, dass bei einer bestimmten Überspannung von die Spannung am TL431 den Transistor T1 durchschaltet, der seinerseits den Thyristor zündet. Ansonsten funktioniert alles wie in der ersten Schaltung.

Download des gesamten Skripts

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