Einführung Datenverarbeitungssysteme


von Prof. Jürgen Plate

1. Einführung

1.1 Grundbegriffe

DVS (Datenverarbeitungssystem):

Programmgesteuerte digitale Systeme zur numerischen und nichtnumerischen Datenverarbeitung = "Computersysteme". Hier: nur Systeme mit flexibler Programmsteuerung, d.h. programmierbare Systeme = Universalrechner.

Im Zusammenhang mit Datenverarbeitung versteht man unter einem "System" praktisch immer die Kombination aus "Hardware" (DV-Anlage, Geräte) und "Software" (darauf ablaufende Programme)!

Computer

Nach Abmessung, Preis und (bedingt) Leistungsfähigkeit unterscheidet man zwischen: Die Grenzen sind nicht eindeutig, sondern unscharf und ständigen Veränderungen unterworfen. Mikrocomputer reichen in der Leistung immer mehr an Minis heran und diese an die Großrechner ("Superminis").

Die Grundprinzipien der Struktur und die Arbeitsweise sind bei allen DV-Systemen weitgehend ähnlich, zum Teil sogar gleich. Auch komplexe Strukturen der Großrechner werden zunehmend auf Mini- und Mikrocomputer übertragen. Gleichzeitig entwickelt sich eine neue Klasse oberhalb der Großrechner, die "Supercomputer" (z.B. Cray, Suprenum).

Dieses Skript beschränkt sich auf DVS mit "klassischer" Struktur (siehe später). Auf Systeme mit neuen komplexeren Strukturen (Feldrechner, Mehrprozessor-Systeme, Transputer, Rechnernetze, etc.) kann nur andeutungsweise eingegangen werden.

Ursprünglich dienten Computer als Hilfsmittel zum Rechnen, wurden also in der numerischen DV eingesetzt (selbst der Name "Computer" stammt von einer Berufsbezeichnung her; "Computer" waren Leute, die z.B. in der Astronomie, bei Volkszählungen oder in Versicherungen Berechnungen durchführten).Inzwischen hat der Einsatz von nichtnumerischen Daten fast höhere Bedeutung erlangt (z.B. Textverarbeitung, Datenbanken ® Handhaben von Datenstrukturen). Durch geeignete Codierung lassen sich nichtnumerische Informationen genau wie Zahlen auf binäre Werte (Bitfolgen) abbilden. ® Erweiterung der "Rechner" auf universelle DV-Systeme. Die Grundfunktionen eines Computers (= DVS) sind

von Informationen. Je nach Anwendung stehen eine oder mehrere dieser Aufgaben im Vordergrund.

Grundsätzlich gilt: Auch bei der nichtnumerischen DV wird gerechnet (ausführen von logischen und arithmetischen. Operationen) und auch bei der numerischen DV gibt es Datenstrukturen. Die Bereiche sind nicht zu trennen.

RISC "Reduced Instruction Set Computer"

(Computer mit eingeschränktem Befehlssatz)

Hat man anfangs versucht, beim Design neuer Prozessor-Chips immer mehr und immer leistungsfähigere Befehle zu integrieren, so wird beim RISC-Prozessor der umgekehrte Weg beschritten.

Für jeden Befehl des Prozessors gibt es eine fest verdrahtete Folge von Ablaufschritten im Chip, das Mikroprogramm. Je komplexer und mächtiger ein Befehl ist, desto mehr Einzelschritte muss das Mikroprogramm auf den Chip durchlaufen und desto mehr Taktzyklen sind notwendig, bis der Prozessor den nächsten Befehl verarbeiten kann. So liegt z.B. beim Prozessor 8088 die Zahl der Taktzyklen für einen Befehl zwischen 2 und 190.

RISC-Prozessoren haben einen kleinen Befehlssatz, bei dem aber fast alle Befehle innerhalb eines einzigen Taktzyklus ausgeführt werden können. Das bedeutet auch eine Vereinfachung des Chips und erreicht auf diese Weise Taktfrequenzen von mehr als 60 MHz.

Informationseinheiten

1.2 Überblick der Entwicklungsgeschichte der Datenverarbeitung

Viele der heutigen Entwicklungen lassen sich auf den entwicklungsgeschichtlichen Prozess zurückführen. So sind viele der heutigen Rechnerarchitekturen aus der Geschichte leichter zu verstehen.

ab 350 v. Chr. Erste vollständige Zahlensysteme (Ägypten, Babylonien)
um 300 v. Chr. Erste bezeugte Verwendung des Rechenbretts (Abakus)
600-800 n. Chr. Entstehung des heutigen Dezimalsystems in Indien
1518 Adam Riese (1492-1559): "Rechnen auff den Linihen"
1623 Wilhelm Schickard (1592-1635) baut erste mechanische Rechenmaschine (4-spezies, automatischer Zehnerübertrag)
1642 Blaise Pascal (1623-1662) entwirft mechanische Rechenmaschine f&uul;r Addition und Subtraktion (Komplementaddition)
1673 Gottfried Wilhelm v. Leibnitz (1646-1716) entwickelt eine mechanische Rechenmaschine (4-spezies, Staffelwalze); nicht funktionsfähig.
1679 Schaffung des dualen Zahlensystems durch Leibnitz.
1709 Johannes Polenius baut eine mechanische Rechenmaschine mit Sprossenrad (nicht funktionsfähig).
1727 Antonius Braun (1685-1728) baut die erste funktionsfähige 4-spezies Sprossenrad-Rechenmaschine.
1747 Phillip Matthäus Hahn (1739-1790) baut erste funktionsfähige 4-spezies Staffelwalzen-Rechenmaschine.
1805 Joseph-Marie Jaquard (1753-1834) baut Webstuhl mit Lochkarten-Steuerung.
ab 1821 Serienmäßige Fabrikation mechanischer Rechenmaschine
1833 Charles Babbage (1792-1871) entwickelt das Konzept eines programmgesteuerten Rechenautomaten.
1886 Herrmann Hollerith (1860-1929) baut elektromechanische Sortier- und Zählmaschinen für Lochkarten.
1903 Percy E. Ludgate führt bedingte Sprünge und Dreiadressbefehle ein.
1941 Konrad Zuse (geb. 1910) baut den ersten programmgesteuerten Rechenautomaten der Welt, die "Z3" (elektromechanisch)
1943 In England wird unter Mitarbeit von Alan. M. Turing die Rechenmaschine "Colossus" zur Entschlüsselung deutscher Funksprüche gebaut.
1944 Howard Hathaway Aiken (1910-1973) baut den ersten programmgesteuerten Rechenautomaten der USA ("Harvard MARK I", elektromechanisch).
1944 John v. Neumann (1903-1957) konzipiert den elektronischen Rechenautomaten "EDVAC" mit interner Speicherung des Programms. Inbetriebnahme 1952.
1946 Die erste vollelektronische Großrechenanlage der Welt wird in Betrieb genommen ("ENIAC", Elektronenröhren, von Eckert, Mauchly und Goldstine). Beginn der 1. Computergeneration.
1947 John Bardeen und Walter H. Brattain entdecken den Transistoreffekt.
1948 "SSEG" von IBM als erster betriebsbereiter Rechner mit Speicherprogrammierung. Claude E. Shannon begründet die Informationstheorie.
1949 Ultraschall-Laufzeitspeicher; Trommelspeicher.
ab 1951 Serienfertigung von Rechnern für wissenschaftliche und kommerzielle Aufgaben (z.B. "UNIVAC" von Remington Rand Corp.)
1952 Unter Leitung von Robert Piloty wird an der Technischen Hochschule München die "PERM" gebaut.
1954 John W. Backus entwickelt die Programmiersprache FORTRAN (FORmula TRANslator).
1955 "TRADIC", der erste transistorbestückte Rechner der Welt. Beginn der 2. Computergeneration.
1958 Jack Kilby entwickelt bei Texas Instruments die erste integrierte Schaltung.
ab 1962 Einsatz von Hybridschaltungen in Computern. Beginn der 3. Computergeneration. DEC entwickelt die PDP1.
ab 1965 Entwicklung von Minicomputern.
ab 1968 Monolitisch-integrierte Schaltungen, Beginn der 4. Computergeneration, Mehrbenutzer-Dialogbetrieb.
1971 Erste Mikroprozessoren (Intel 4004, 8008), Taschenrechner HP-35.
ab 1973 Serienfertigung von elektronischen Taschenrechnern.
1976 Erster Einchip-Mikrocomputer Intel 8048, erste 16-Bit-Mikroprozessoren (Texas 9900).
1977 Commodore "PET", der erste vollständige Heimcomputer/ Personal Computer.
1981 IBM-PC (4,77 MHz Taktfrequenz), erste 32-Bit-Mikroprozessoren (Intel, HP).
1983 HP entwickelt VLSI-Chip mit 450 000 Transistorfunktionen (50 mm2)
1984 ULSI-Chips mit ca. 1 600 000 Transistorfunktionen.
1988 RISC-Architektur (Reduced Instruction Set Computer), Transputer
1989 Megabit-Speicherchip, 64-Bit-RISC-Prozessoren.
2000 Pentium 3 mit 1 GHz Taktfrequenz

Buchtips:

Edgar P. Vorndran:
"Entwicklungsgeschichte des Computers"
VDE-Verlag


Rolf Oberliesen:
"Information, Daten und Signale"
rororo Sachbuch


Lindner/ Wohak/ Zeltwanger:
"Planen, Entscheiden, Herrschen"
rororo Sachbuch


Dr. Michael Schöttner
"Systemprogrammierung"
pi3.informatik.uni-mannheim.de/~schiele/sysprog/

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