Gelungenes Marketing: Der Brand auf dem Kehlstein

Dem vor einigen Wochen mit EU-Mitteln in Reichenhall präsentierten Erdbeben (Stärke 3,8) war touristisch kein großer Erfolg beschieden, möglicherweise auch wegen der irrtümlichen Verlegung des Epizentrums unter den Thumsee.

Um den frühsommerlichen Tourismus anzukurbeln, sann man daher auf ein neues Highlight. So entstand - diesmal mit Mitteln des Freistaats Bayern - die Idee zum Event "Brand im Kehlsteinhaus".

Wie man sehen wird, hatte diese Inszenierung deutlich höheres Nachrichtenpotenzial sowie weitere handfeste Vorteile. 500 Touristen wurden direkt ins Geschehen einbezogen, denn sie befanden sich zum Zeitpunkt des Startschusses auf dem Kehlstein.

Am Sonntag um 16.30 Uhr erhielt der Hausmeister des Kehlsteinhauses aus der Kommandozentrale im Wirtschaftsministerium das Startzeichen. Grünes Licht für eine Rauchpause unter dem Brandmelder des berühmten Fahrstuhls, der 126m durch massiven Fels führt, innen mit Messing ausgeschlagen ist und von einem U-Boot-Motor angetrieben wird.

Planmäßig ging der Brandalarm los, und ebenso planmäßig wurde der Fahrstuhl geschlossen. Der Gag dabei: Die Besucher saßen jetzt oben fest, denn der Fußweg vom Kehlsteinhaus zum Busparkplatz war noch mit rund 1,50m Schnee bedeckt. Das ist der Stoff, aus dem die Katastrophenfilme sind. Prompt sicherte Bernd Eichinger sich die Filmrechte.

Doch da es sich um eine Marketingaktion handelte, war natürlich in Wirklichkeit niemand gefährdet. Man saß auf der Terrasse, bestellte noch ein Bier und genoss die Aussicht.

Jetzt lief Teil zwei des Events an, gleichzeitig eine willkommene Katastrophenübung für die zahlreichen freiwilligen Feuerwehren und Hilfsdienste, nicht nur im Berchtesgadener Land, sondern bis hin nach Salzburg. Mit Blaulicht fuhren Einsatzfahrzeuge die Kehlsteinstraße hinauf. Die Bergwacht rückte zahlreich aus. Nachrichtenredaktionen wurden kontaktiert.

Was an Mensch und Material nicht mehr oben auf den Berg passte, wurde unten auf dem großen Parkplatz am Obersalzberg dekoriert, wo das Fernsehen sowieso viel besser hinkam. Hubschrauber hoben ab und kreisten spektakulär öber dem Geschehen. Das Rote Kreuz kochte Kaffee.

Bereits Stunden vorher waren als sonntagsausfliegende freiwillige Feuerwehrler verkleidete Schauspieler mit Funkgeräten an strategisch günstigen Touristenzentren abgestellt worden, so zum Beispiel auf der Kneifelspitze. Sie sollten die Kunde vom kohlenden Kehlstein verbreiten, damit alle etwas davon hatten. Die Mitwirkenden waren angehalten, mit sorgenvoller Miene in ihre Geräte zu horchen, um dann die anwesenden Gäste mit den "neuesten Nachrichten" zu versorgen. Dabei waren keine Dialoge vorgegeben, die Mimen durften frei improvisieren. Das war auch notwendig, denn schnell fiel den Zuschauern auf, dass nicht das kleinste Rauchwölkchen den Himmel über dem Kehlsteinhaus trübte.

Leider dauerte es fast zwei Stunden, bis man endlich die Nachrichtenredaktion von Bayern 5 ans Telefon bekam und dort die erste Meldung lancieren konnte. Immerhin gelang es, die entscheidene Information unterzubringen: Der Fahrstuhl auf dem Kehlsteinhaus wird von einem alten U-Boot-Motor angetrieben. Ja ganz recht, es ist immer noch der gleiche Motor. Seit damals. Deutsche Wertarbeit.

Ein Glück, dass dieser unverwüstliche Motor erwähnt wurde. Denn das war der einzige Grund, warum das Wirtschaftsministerium sich hatte breitschlagen lassen, die Aktion zu sponsern. Das ursprüngliche Konzept hatte vorgesehen, an dieser Stelle den Herstellerkonzern einzubeziehen. Doch der hatte abgewinkt.

Die Touristen oben auf dem Kehlstein hielt man derweil mit der Aussicht auf einen kostenlosen Hubschrauberflug bei Laune. Und tatsächlich wurden die ersten Personen von einem Polizeihubschrauber "evakuiert" und zum Busparkplatz am Obersalzberg geflogen.

Doch irgend jemand hatte die Bergwacht falsch gebrieft, die dabei war, den Fußweg vom Kehlsteinhaus zum Wendeplatz zu räumen. Die Männer buddelten einfach zu schnell und meldeten viel zu fröh den Weg als begehbar. Somit waren weitere Hubschrauberrundflüge gestrichen, sehr zum Leidwesen der Besucher.

Immerhin sparte sich der Wirt auf diese Weise die Beauftragung eines kommerziellen Räumdienstes - einer der Gründe, warum er von Anfang an für die Aktion gewesen war.

Insgesamt ein gelungenes Event für alle Beteiligten. Obwohl die Gäste, die keinen Hubschrauberflug mehr erwischt hatten, ein bisschen enttäuscht waren und den kostenlosen Kaffee vom Roten Kreuz nicht als vollwertigen Ersatz ansahen.

Auf Bayern 3 kam dann später noch eine Zusammenfassung der Ereignisse.

Fredrika Gers