Die erste Frage, die sich ganz rational stellt, ist die Frage nach unserem Ausbildungsauftrag. Gehört da wirklich Englisch an prominente Position dazu? Oder sollte es nicht eher um das jeweilige Fachwissen gehen? Warum sollte ein ausländischer Student, der englischer Sprache beherrscht ausgerechnet an eine deutsche Hochschule kommen, an der vielleicht 10% der Vorlesungen in englisch sind und nicht gleich nach Englad oder USA gehen? Da gäbe es nur den einen Grund, dass es bei uns keine horrenden Studiengebühren gibt. Aber für die "rstlichen" 90% müsster erstotzdem deutsch lernen - und dann können die o. g. 10% in Deutsch sein. Wenn ein deutsschprachiger Student wirklich sein Englisch aufpolieren will, böte sich neben Sprach- und Volkshochschule auch noch ein Auslands- semester in GB oder USA an. Oder er besucht spezielle Englisch-Vorlesungen. Wir alle haben ein wunderbares und präzise funktionierendes Werkzeug der Wissensvermittlung: Die Sprache von Luther, Goethe, Kant und Lichtenberg. Dieses über viele Jahre gepflegte Werkzeug werfen wir einfach so weg, um in einer fremden Sprache zu radebrechen. Nein, ich will keineswegs die Englischkenntnisse irgend eines Kollegen herabwürdigen - ich bin nur der festen Ansicht, dass niemand von uns an einen "native speaker" heranreicht. Dazu müsste man viele Jahre im englischsprachigen Ausland verbracht haben. Und selbst das reicht oft nicht - man höre sich nur mal den Schwarzenegger an. Und wie gut das Englisch der Studenten ist, wissen wir auch nicht. Da knirscht das Getriebe auf beiden Seiten.
Lassen Sie mich die Behauptung an einem Beispiel festmachen. Betrachten Sie dazu die beiden folgenden Sätze: "Ein Auslandssemester dient dazu, die Sitten und Gebräuche der Einheimischen zu studieren." und "Ein Auslandssemester dient dazu, die Sitten und Gebräuche der Eingeborenen zu studieren." Die Semantik beider Sätze unterscheidet sich beträchtlich, obwohl die Sätze selbst sich nur in einem Wort unterscheiden (und "Einheimische" und "Eingeborene" würden sogar als Synonyme durchgehen). Natürlich kann man diesen subtilen Unterschied auch im Englischen ausdrücken - aber mal ehrlich: Wären Sie in der freien Rede einer Vorlesung auf die Ironie des zweiten Satzes gekommen?
Der Entgegnung, dass es in der Vorlesung nur auf Fakten ankommt, wird schon im ersten Didaktikseminar widersprochen. Dort haben wir gelernt, dass Wissen sich nur ins Langzeitgedächtnis setzt, wenn man für ein und denselben Sachverhalt mehrere Zugänge schafft. So etwas bekomme ich angenehm, schnell und sauber nur in meiner Muttersprache hin - was bei anderen anders sein mag, aber schafft man wirklich die Breite der Variationen und des sprachlichen Ausdrucks in einer fremden Sprache?
Last but not least (Pardon, ich meinte natürlich "nicht zuletzt".) stellt sich die Frage, ob die Vorlesungen in Englisch nicht einfach der Flagge der sogenannten Internationalisierung nachlaufen. Sind wir wirklich international, wenn wir einige Vorlesungen in Englisch halten. Was ist mit Französisch (Studierende aus Nordafrika), Portugisisch und Spanisch (Südamerika), Russisch, Polnisch, serbisch, Kroatisch usw. Käme nur ein ausländischer Studi weniger, wenn es keine "Courses in English" gäbe? Oder kommen die vielleicht sogar zu uns, um Deutsch zu lernen?
Vor knapp hundert Jahre war Deutsch die Sprache der Wissenschaft! Heute gibt es Kongresse, die in Deutschland stattfinden, bei denen alle Referenten und Zuhörer aus Deutschland kommen und alle Vorträge in Englisch sind. Da frage ich mich wirklich, ob die noch ganz richtig ticken! Und wir laufen dem Trend nach und üben voreilenden Gehorsam. Geht's noch? Dafür gebricht es dann in der Bachelorarbeit an Grammatik, Rechtschreibung und Zeichensetzung. Aber Englisch ist ja sooo cool!