1969 wurde die Basis für einen der größten Online-Erfolge der 80er gelegt: Das amerikanische Versicherungsunternehmen Golden United Life wollte seine teuren Firmenrechner vom Typ PDP-10 besser auslasten und gründete dazu ein Tochterunternehmen namens "Compu-Serv Network" und vermietete Rechenzeit an andere Firmen. Der Kontakt zu den Rechnern erfolgte per Modem-Einwahl übder das Telefonnetz.
Später entstand die Idee, auch Privatkunden sich einwählen zu lassen. Der Service, der im ersten Jahr seines Bestehens 1200 Kunden gewann, nannte sich zunächst "MicroNET". Erst mit steigender Akzeptanz erhielt er den Namen "CompuServe". 1979 startete Compuserve in den USA den eigenen Online-Dienst für Privatkunden. Ein Steuerberatungs-Dienstleister namens "H&R-Block" übernahm CompuServe und baute den Online-Dienst aus. 1987 kam bereits die Hälfte der Umsätze aus dem Privatkundengeschäft und es gab USA-weit 260 Einwahlknoten ins CompuServe-Netz.
Was an CompuServe damals einzigartig war, können heute nur noch wenige beantworten. Damals war es sensationell: E-Mail für Privatpersonen, Onlinechats in Echtzeit, ein Datentransfer-Protokoll und den Zugang zu Foren, Medien, Archiven und Online-Shops, lange bevor das World Wide Web ins Bewusstsein der Massen geriet. Später konnte man bei CompuServe auch noch sämtliche Newsgruppen des Usenet lesen. 1994 hatte der Dienst 1,7 Millionen Benutzer weltweit und war damit der führende Online-Dienst. In den Compuserve-Foren debattierten IT-Legenden der ersten Stunde mit Nutzern. Apple-Mitgründer und Technik-Genie Steve Wozniak beantwortete im Oktober 1983 gut zwei Stunden lang im Forum der Apple-Nutzergruppe bei CompuServe Fragen. Der Legende nach hat dort auch Bill Gates hämische Kommentare kassiert, als er den Nachfolger von DOS 3.0 versprach.
Im Vergleich mit der damals üblichen textorientierten Befehlsoberfläche war der CompuServe Information Manager richtig komfortabel. Die teils externen Forenbetreiber erhielten von CompuServe auch einen gewissen Teil der Online-Gebühren. Diese waren nicht ohne: Man musste weit über 20 US-Dollar im Monat bezahlen. Dafür konnten schon 1989 CompuServe-Nutzer E-Mails mit Internetadressen austauschen (die Compuserve-Interne Kennung aus zwei Zahlen wurde dann zu beispielsweise 100101,3264@compuserve.com erweitert). Die hohen Preise sorgten Ende der 90er-Jahre dann für seinen Niedergang. CompuServe wurde zunächst vom Konkurrenten AOL übernommen. Dann verlor der Dienst aber ständig an Kunden, während AOL selbst wuchs. Wenig später war die Zeit der geschlossenen Online-Dienste endgültig vorbei. Für einfache Bedienung und ein paar Extradienste wollte niemand mehr bezahlen. AOL modelte sich mit viel Mühe zum Werbevermarkter und Werbeplatz-Anbieter um und CompuServe ist nur noch ein Web-Portal.
Auch wenn CompuServe nun Geschichte ist, etwas bleibt auf jeden Fall erhalten: das GIF-Format für Grafiken, ohne das kaum eine Internetseite auskommt. 1987 führte der Online-Dienst diesen Standard für seine Download-Bereiche ein. Mit einer späteren Version waren sogar kleine Animationen möglich, die noch heute gern für Werbezwecke und dergleichen genutzt werden.
Auch Geschichte ist das Gerichtsverfahren um die Newsgruppen. Das Amtsgericht München hatte den Geschäftsführer der Compuserve GmbH, Felix Somm, als Mittäter u. a. wegen der Verbreitung pornographischer Schriften im Internet verurteilt. Anlass dafür waren die weltweiten Usenet-Newsgroups, denen sich CompuServe geöffnet hatte. In diesem waren auch pornographische Bilder frei zugänglich (wobei das Laden eines solchen Bildes über eine Modemverbindung mit 9600 Bit/s schon eine Geduldsprobe für den Rezipienten darstellte). Die Richter des Amtsgerichts hatten nun Somm als Geschäftsführer von CompuServe Deutschland als "Mittäter" verurteilt. Der Angeklagte hätte es nach Auffassung des Gerichts in der Hand gehabt, durch Unterbrechung der Verbindung zu CompuServe USA eine Zugänglichmachung zu vermeiden. Dieses Urteil hatte für viel Aufregung und Kritik gesorgt. Es wurde in der nächsten Instanz vom Landgericht München aufgehoben. Hier bejahten die Richter die Privilegierung des damaligen Pragraphen 5 Abs. 3 TDG für die fraglichen Newsgroups, da diese von Dritten und nicht von CompuServe stammten. Nach Paragraph 5 Abs.3 TDG haftet ein Anbieter nicht für fremde Inhalte. Des weiteren konnte kein Vorsatz nachgewiesen werden.